Work-Life-Balance

Eigentlich wollen wir gar keine Work-Life-Balance!

Zumindest nicht, wenn wir uns die Bezeichnung und das, was sie uns suggeriert, ein wenig genauer anschauen. Erstmalig begegnete mir der Begriff 2010, als ich mein erstes Buch geschrieben hatte zum Thema „Burnout“. Heute ist der Begriff „Work-Life-Balance“ in meiner Arbeitswelt allgegenwärtig. Er klingt so positiv und erstrebenswert: ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Lebensbereichen. Doch je mehr ich darüber nachgedacht habe (und vergeblich versuchte diese Balance zu erreichen), desto mehr wurde mir bewusst, dass diese Trennung zwischen Leben und Arbeiten auch gefährlich ist. 

Sie suggeriert, dass das eine positiv und das andere negativ ist – als könnten wir nur im „Life“ Freude finden und Arbeitszeit sei lediglich ein notwendiges Übel. Doch diese Sichtweise hat tiefgreifende Auswirkungen auf unser Denken (und mindset matters, wie wir wissen) – und folglich auch auf unser Leben.

Ein chinesisches Sprichwort gab mir den entscheidenden Impuls, hier in die Tiefe zu gehen, es besagt:

Willst du für einen Moment lang glücklich sein, heirate. Willst du eine Stunde lang glücklich sein, schlafe. Willst du ein Leben lang glücklich sein, liebe deine Arbeit!

Wenn wir hingegen über Work-Life-Balance sprechen, impliziert die Sprache das genaue Gegenteil: sie stellt eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freude dar. Auf der einen Seite ist das „Leben“, das mit Freude, Familie, Freundschaften und Freizeit verbunden ist und auf der anderen Seite das „Arbeiten“, was oft mit Stress, Druck oder Langeweile assoziiert wird. 

Wie wirkt sich diese verzerrte Wahrnehmung dieser beiden Begriffe wohl auf einen jungen Berufseinsteiger aus, wenn er ihn erstmalig hört – motivierend oder demotivierend? Wie wird er sich innerlich einstellen – und somit sich und seine Erwartungen auf den ersten Job ausrichten – und schlussendlich auf andere wirken?

In meiner Berufspraxis erlebe ich als Resultat ein negatives Mindset, das zu negativen Gedanken, Gefühlen und Handlungen verleitet, die beruflichen Aktivitäten als lästige Pflicht zu empfinden, die es zu überstehen gilt, um endlich zum „wahren“ Leben zu gelangen – zum Feierabend, zum Urlaub oder sogar zur Rente.

Und hey, Hand aufs Herz: diese permanente Annahme, dass Arbeit negativ sein muss, insbesondere als Frau, die als Working-Mum zusätzlich zur Rabenmutter wird, kann natürlich Folgen für unser Wohlbefinden haben. Es führt nicht nur zu einem gefühlt (noch) beschwerlicheren Arbeitsleben, sprich einer Bestätigung der landläufigen negativen Erwartungen, sondern auch im privaten. Denn je unzufriedener wir letztlich im Berufsleben werden, desto unzufriedener werden wir es auch im privaten, oder nicht?

Woran liegt das, dass wir offenbar Arbeiten als kategorisch schlecht einstufen – anders, als das chinesische Sprichwort es empfiehlt? 

Muss Arbeit immer hart sein? Erst die Arbeit verrichtet werden und dann kommt das Vergnügen? Denn ohne Fleiß, kein Preis? 

Und in welcher Generation entstand das – in welchem Jahrhundert – und gilt das heute immer noch?

Gilt das auch für mich, ohne, dass ich es gemerkt habe – einfach, weil ich es geglaubt habe als Berufseinsteiger? 

In meiner Arbeit mit Klientinnen kommt hier oft der Aha-Effekt, dass auch sie sich durch negative Gedanken zunehmend von ihrer Arbeit entfremdet haben, Dienst nach Vorschrift machen und inzwischen eine dauerhaft negative Brille aufhaben – was sich auf ihr Selbstwert und damit auch schlussendlich auf ihre Performence und auf ihr Potential auswirkt. Und letztlich auf ihre grundsätzliche Zufriedenheit im Leben! 

Die Möglichkeit, Freude und Erfüllung in unserer Arbeit zu finden, scheint für unsere Breitengrade absurd – zumindest bei diesem Arbeitgeber! – denn, ´Das wird sowieso nichts mehr!´, oder ´Ich schaffe das niemals!´ und ´Ich kann nicht mehr mit diesem Haufen weiter zusammen arbeiten!´- und die innere Kündigung folgt.

Wenn wir jedoch ständig an einem anderen Ort sein wollen – im „Echten“ Leben, im Gegensatz zur Arbeit – verpassen wir die kleine Chance, auch das Positive zu erkennen.

Mein Tipp:

Neu hinschauen, es wird Zeit für einen Imagewechsel! Und damit meine ich nicht, den nervigen Chef rosa anzupinseln und sich schön zu reden. Ich frage nur, was wirklich dagegen spricht, Erfüllung in der Arbeit zu finden? Dass Arbeit auch leicht gehen darf und öfter Spaß macht, als zu belasten – und wie liesse sich das künftig wieder erkennen?

Was passiert, wenn Sie persönlich aufhören würden, die Arbeit als notwendiges Übel zu betrachten, die Energie und Zeit raubt? Was würden Sie bereits morgens nach dem Aufstehen womöglich anders machen? Wie würden Sie Ihren Arbeitsalltag gestalten – und wo würden Sie plötzlich wieder mehr Energie laden können, die bereichert? 

Mein Schlüssel zum Glück im Beruf waren Werte! Das Übertragen persönlicher Werte auf die Arbeit kann einen enorm positiven Einfluss auf uns haben – sei es durch die Wahl eines erfüllenden Berufes (sozialer Bereich, Tierschutz, Gesundheit, etc), die Anerkennung und der Erfolg des eigenen Tuns (Gestaltungsmöglichkeiten, Bewegen, Selbstverwirklichung), aber auch durch eine gesunde Unternehmenskultur, in der wir uns tagtäglich bewegen und wiedererkennen. 

Wie wäre es denn für Sie persönlich, wenn es wieder ein persönliches übergeordnetes Ziel gäbe, das Sie dazu motiviert, Ihr Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass es sich nicht wie eine Pflicht anfühlt, sondern wie ein wertvoller Teil Ihres Lebens – Ihres persönlichen Ziels? 

Wenn es künftig für Sie sowohl-als-auch, anstatt entweder-oder in Sachen Work-Life-Balance lauten würde?

Vielleicht würden auch Sie die Trennung zwischen Leben und Arbeiten künftig als veraltet sehen, sogar für schädlich für Ihr Denken und Fühlen. 

Die GenZ scheint hier bereits auf einem guten Weg zu sein: Sie fordert sinnstiftende Arbeit, die erfüllt und glücklich macht. Auch wir können unserer Arbeit selbst einen Sinn geben, denn „Sinnhaftigkeit“ ist vor allem eins: subjektiv.

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