Flamingo-Mutter: Steckenbleiben zwischen Familie und Beruf?
Wer schon einmal mit dem Konzept der Flamingo-Mutter in Berührung gekommen ist, weiß, dass hier der Versuch beschrieben wird, Familie und Beruf in Einklang zu bringen – mit einem klaren Fokus auf „Versuch“.
Als Working-Mum erlebe ich täglich, dass dieser Versuch auf Dauer so ist, als würde man immer auf einem Bein stehen, eine wackelige Angelegenheit also. Es gibt unzählige Herausforderungen, die mit dieser Situation einhergehen und die verdeutlichen, wie wenig erstrebenswert das Bild der Flamingo-Mutter ist.
Oder wollen Sie die Mutter an der Kasse sein, die neulich an einem Freitagnachmittag sichtlich überfordert den Einkauf in ihre Tasche packte, während sie angestrengt dem Video-Call versuchte zu folgen, der wahrscheinlich in ihren Feierabend fiel?
Weibliche Flamingos verlieren ihre charakteristische pinke Farbe, wenn sie ihre Körperreserven zur Aufzucht ihrer Jungen aufbrauchen.
Für uns Frauen bedeutet das im Übertragenem: wir verlieren Karrierechancen. Wir sind die Mütter, die ihre Kinder als letzte – kurz vor Schliesszeit – aus dem Kindergarten abholen. Die Flamingo-Mutter hat aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen oft weniger Zeit und Energie für ihre berufliche Entwicklung (zum Beispiel kann sie ein wichtiges Meeting am Nachmittag nicht mehr wahrnehmen – oder nur beim Einkauf), was Karrieren auch mal stagnieren lassen kann. Und eine Flamingo-Mutter hat aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen und den schlechten Abgrenzungsmöglichkeiten oft weniger Zeit und Energie für ihre familiären Aufgaben.
Der Druck und die Überlastung, die damit einhergehen, bezeichnen wir gerne als das „Jonglieren mit den Rollen“.
Ob das auf Dauer zufriedenstellend gelingt, ist ungewiss! Doch eines ist sicher: Der Versuch, sowohl in der Rolle als Mutter als auch im Berufsleben erfolgreich zu sein, kann zu dauerhaft hohem Stress und Überbelastung führen. Zusätzliche Schuldgefühle erzeugen einen anhaltenden emotionalen Druck und womöglich schlussendlich den Impuls, alles hinzuschmeißen.
Und da fragen wir uns, wo sich die weiblichen Führungskräfte versteckt halten, wenn es um Aufstiegschancen geht? Oft frage ich mich, wo die idealisierte Rolle der Flamingo-Mutter in der Praxis eine resiliente und bewundernswerte Balance zwischen Familie, Care-Arbeit und Beruf darstellen soll. Kann das unter den gegebenen Umständen überhaupt funktionieren? Discounten wir hier etwa die Herausforderungen sowie die potenziellen negativen Auswirkungen? Oder warum genießen Flamingo-Mütter gesellschaftlich gesehen nach wie vor einen höheren Stellenwert als beispielsweise die deutlich erfolgreicheren Queen-Bees?
Ich erlebe, dass wir uns zu oft auf idealisierte Bilder konzentrieren und die Messlatte hoch setzen, anstatt sie bewusst auch mal fallbezogen zu senken (Feierabendzeit ist Feierabendzeit), um unsere individuellen Ziele zu verfolgen – und verlieren uns dabei in einer Rolle.
Mit dem Gefühl, dass es hier nur ein Narrativ „entweder oder“ zu geben scheint, wünsche ich mir ein „sowohl als auch“!
In meinem Fall bedeutete das, Konsequenzen zu ziehen und meine Arbeitsbedingungen drastisch zu ändern. Wo kein Licht ist, kann nichts wachsen! Aufgaben gab ich ab an Mitarbeiter, die ich mir erst mal zulegen musste und ich begann, meine Arbeitszeiten flexibler zu gestalten (auch wenn ich vorher dachte: Das gelingt nie!). Meine Prioritäten setzte ich auch neu:
Ich schaffte mir bewusst in meinen beiden Unternehmen eine Kultur, die erlaubt, dass Familie und Karriere nicht im Widerspruch zueinanderstehen.
Gesunde Grenzen waren hierbei mein Schlüssel (und sie waren harte Arbeit)! Heute nehme ich alle drei Mahlzeiten mit meinen Kindern gemeinsam ein und verbringe nahezu jeden Nachmittag mit ihnen. Und die Wochenenden sind inzwischen auch frei!
Wie mir das gelang?
Ich hatte schmerzlich verstanden: Je schlechter die Bedingungen sind, desto größer die Schuldgefühle gegenüber der Familie – und auch meinem Job. Diese abzulegen und aufzuhören, sich mit anderen zu vergleichen und über die Grenzen hinauszugehen (burn-on, please, andere schaffen es doch auch …), sorgte ad hoc für Entlastung. Das war dann wohl mein Gamechanger!
Wie könnte dieser bei Ihnen aussehen?
Mal angenommen, anstatt Flamingos oder Queen-Bees gäbe es ab jetzt ein unterstützendes Umfeld mit guten Bedingungen, die Familie und Karriere ermöglichen: Wie würden diese aussehen müssen? Was wären die guten Bedingungen, die integrative und resilientere Persönlichkeiten unter uns Frauen fördern – solche, die sich für beides entscheiden dürfen: sowohl Familie als auch Karriere?
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